So wie Grün psychologisch meistens als natürlich wahrgenommen wird, ist es auch mit Packpapier: Ohne Erklärung kommt beim Konsumenten die Botschaft „handmade, lässig, nah“ an – gleichgültig, ob es um Bücher, Schuhe oder Lebensmittel geht. Als Designer nerven solche visuellen „Floskeln“ – tatsächlich funktionieren sie aber am POS so gut, dass es sich lohnt, sie dennoch zu nutzen. Denn auch diese viel verwendete Optik lässt sich mit einfach Kniffen so einsetzen, dass sie immer wieder überraschend, hochwertig, einzigartig wirkt. Packpapier kann aber auch schnell muffig und pappig wirken! Gefühle, die wir mit Lebensmitteln nicht kommunizieren wollen. Denn dann funktioniert Packpapier eben nur *fast!
|
graze aus Irland. Braun und Packpapier sind Schwierig als Kombi und wirken leicht muffig. |
Erinnerung an den Kramerladen
Packpapier – und ähnlich übrigens auch eine abgenutzte Holzoptik, wie auf dem nachfolgenden Beispiel – lösen beim Konsumenten offensichtlich sofort ein Wohlgefühl aus. Ein grundsätzliches „Ja“ zum Produkt, eine Lässigkeit, die auch zu einer lässigen Preisanmutung führt. Und damit sinkt die Hemmschwelle beim Kauf. Das Produkt wirkt nicht zu teuer, aber gerade eben und extra für mich vom Mann oder Frau hinter der Theke abgefüllt, also wertig. Fast unverpackt sozusagen …
|
So wirkt das Industrie-Sandwich mit Beemster Cheese
im Flugzeug gleich handgemacht & doppeltglücklich …
|
Verbinden wir diese Anmutung mit einer hohen Prägnanz in der Gestaltung und womöglich noch mit einem grafischen Hingreifimpuls (beispielsweise einem Störer), kann am POS fast nichts mehr schief gehen. Damit Packpapier aber nicht nur nach Kinderkaufladen der Vergangenheit wirkt, braucht es gerade im Bereich der Schnelldreher Brillianz und Strahlkraft. Hier gilt also eher zitierende Inszenierung als Authentizität beim Material: Es reicht, die Struktur zu drucken, damit genug technische Freiheit für konsumige Bilder bleibt.
|
Bei der neuen Salzlinie Alpensaline von Bad Reichenhaller für den BioFachhandel haben wir
mehrere Gestaltungstrends kombiniert: Packpapier, handmade und retro. In Verbindung mit
einer klaren Typografie und starken Kontrasten ein echter Hingucker im Regal.
|
FAZIT
• Packpapierbraun braucht Kontraste, um nicht muffig und stumpf zu wirken: Weiß, kühle Töne, klare Schriften, dann wirkt es zeitgemäß.
• Vorsicht vor zu viel Modernität bei Alltagsprodukten; wirkt schnell zu designig und damit wie ein Geschenkartikel, wird also nicht so oft gekauft.
• Um das Packpapier-Gefühl beim Konsumenten auszulösen, reicht häufig eine gedruckte Papieroptik, auf echtem Natronpapier mit rauer Oberfläche versumpfen die Farben zu stark.
• Eingefärbtes Packpapier mit Streifenstruktur hat natürliche und dennoch plakative Farbanmutung im Regal.
• Kombination mit historisierenden Abbildungen transportiert Tradition und Romantik = starke Emotion.
|
Braun und Packpapier sind schwierig als Kombi und wirken leicht muffig.
Das kann auch Lack auf Schokolade & Mandeln nicht wirklich bei Corny retten.
Ein Design, das es schwer hat im Riegelregal, allerdings durch Bescheidenheit mehr
Vertrauen ausstrahlt und weniger süß wirkt.
|
|
Raue Naturstruktur mit Kontrast:
Klebeetikett auf weißem Papier gedruckt, prägnant gestaltet,
traditionell zentriert, kontrastreich blau.
Animierend und glaubwürdig in der Wirkung.
|
|
Anders dieses Beispiel aus England vonShepherd Neame & Co.:
Tradition und Handwerk glaubwürdig vermittelt. Prost!
|
|
Moderenes Design:
Klare, schmale Groteskschriften, pure Flächen, keine Abbildungen.
Junges Design aus Holland für junge, urbane Zielgruppen.
Aber:
Das Produkt schafft es kaum, mit mir als Betrachter in Beziehung zu gehen.
|
|
Das Ganze funktioniert auch bei großen Marken:
Wurden diese Tomaten nicht gerade im Garten gepflückt und
von Onkel Heinz persönlich zu Ketchup verarbeitet?
Wir sind als Verbraucher leider extrem manipulierbar…
|
|
Auch in Packpapier verpackt:
Die Ziegenmilch Schokolade von "Theobro.ma" aus Berlin.
|
|
Alles was das Reisherz begehrt gibt es bei "Reishunger" aus Bremen.
|
|
Chic verpackte Chips von "sol y gusto".
|
|
"Marks & Spencer" lockt mit Indisch-Koch-Kit in ansprechender Verpackung. |
|
"URBANeat" Sandwich Verpackung aus dem vereinigten Königreich. |
|
Besondere Ziegenmilchprodukte von der "big picture farm" aus den USA. |
|
"Starbucks" to-go Becherhalter für heiße Getränke. |
|
8 baumfreie Bleistifte von "Kikkerland".
|
Die Kommunikations-Kolumne in der Biowelt:
Konsequent nachhaltiges Handeln unterscheidet viele Biopioniere und Herstellermarken von Me-Too- und Handelsmarken, die lediglich Biorohstoffe nutzen. „Gelebte Nachhaltigkeit“ ist profilbildend und Alleinstellungsmerkmal vieler Pioniermarken. Viel zu selten werden diese Themen in der Kommunikation zeitgemäß genutzt, um Handel und Konsumenten an die Marke zu binden. Und damit wird auch die Chance vertan, dem Bio-Fachhandel eine Extraportion Glaubwürdigkeit in die Regale zu stellen.
Wie attraktiv Kommunikation sein kann, zeigen wir regelmäßig in der Biowelt. Martina Merz, Marken- und Packagingexpertin von mërz punkt, widmet sich in jeder Ausgabe einem Themenschwerpunkt und entdeckt für uns spannende Beispiele aus der Nicht- Biowelt. Inspiration, fachliche Erläuterung der wahrnehmungspsychologischen Mechanismen dahinter, Bilder, Design, Sprache: Themen, Handwerkszeug, Hintergründe.
Ihnen fallen sofort gute Beispiele aus dem Nicht-Biobereich ein? Her damit!
Schicken Sie Ihr Fundstück als Bild, Link, Mail an kontakt(at)merzpunkt.de
Pssssssssst!Wer noch mehr spannende Themen entdecken möchte, sollte den mërz punkt Video Blog durchstöbern: