Montag, 4. April 2016

Nachhaltigkeit kreativ nutzen in der Markenkommunikation? Interessiert die Kunden eh nicht! Schon gar nicht auf der Verpackung. Oder doch?

Nachhaltige Verpackung. Direkter Handel. Gemeinwohlökonomie. Gähn…? Konsequent nachhaltiges Handeln unterscheidet viele Biopioniere und Herstellermarken von Me-Too- und Handelsmarken, die lediglich Biorohstoffe nutzen. Gelebte Nachhaltigkeit ist profilbildend und Alleinstellungsmerkmal vieler Pioniermarken. Doch viel zu selten werden diese Themen in der Kommunikation attraktiv und zeitgemäß genutzt, um engagierte Bio-Konsumenten an die Marke zu binden oder gar zum Umdenken anzuregen. Und damit wird auch die Chance vertan, dem Bio Fachhandel eine extra Portion Glaubwürdigkeit in die Regale zu stellen.

Wie attraktive Nachhaltigkeitskommunikation aussehen kann, zeigen wir ab dieser Ausgabe regelmäßig in der Biowelt. Martina Merz, Marken- und Packagingexpertin von mërz punkt, widmet sich in jeder Ausgabe einem Themenschwerpunkt und entdeckt für uns spannende Beispiele aus der
Nicht-Biowelt. Beispiele, Inspiration, fachliche Erläuterung der wahrnehmungspsychologischen Mechanismen dahinter. Bild, Design, Sprache. Dos and Don’ts. 

Den Start macht das Thema NACHHALTIGE VERPACKUNG.
Folgen werden Themen wie direkter Handel, Fair, Sozialstandards, Gemeinwohl, gesellschaftliches Engagement, Projekte, etc.

Wie reden über nachhaltige Verpackung?
Viele Biomarken ringen mit dem Thema Verpackungsreduktion und
-optimierung. Zur Schwierigkeit, richtig und falsch bei dieser komplexen Thematik abzuwägen, kommt die Gefahr von Umsatzeinbußen.

Plakative Botschaft auf einer T-Shirt-Hülle von Armed Angels

Die PUMA-Box, „Clever Little Bag“. Tolles Design, das den Schuhkarton ersetzt durch eine Mehrwegtasche mit Kartoninlay. PUMA Eco-Table: Mission, Markenbotschaft und Uniqueness.









Gewohnheit ist stärkster Gegner 
Als Konsumenten haben wir gelernt: Viel Verpackung ist viel Schutz und damit wirkt der Inhalt wertvoller. Weniger Verpackung – dünnere Materialien – werden deshalb gleichgesetzt mit weniger Schutz und damit mit weniger hochwertigem Inhalt. Ein Dilemma, das ausschließlich durch fokussierte, zielgruppengerechte Kommunikation zu lösen ist. Der Konsument lässt sich (vor allem in Deutschland) gern einlullen, das bestätigen unsere Design-Studien. Sobald er das Wort „nachwachsend“ liest und Packpapieroptik sieht, scheint alles gut und das Gewissen ist beruhigt. Eine bequeme Entscheidungshilfe, die den Kaufimpuls unterstützt. Schließlich wollen wir beim Einkaufen nicht belehrt sondern verführt werden. Eine drastische Zunahme von Mehrkomponenten- Materialien in Packpapieroptik und immer aufwändigere Verpackungen sind die Konsequenz. Dieses Packaging-Aufrüsten lässt am POS so manche Pionier-Marke alt und unattraktiv aussehen.














































Wo & wie kommunizieren über Verpackungstechnik?
Bei der Suche nach Kommunikation über nachhaltige Verpackung zeigt sich die Komplexität des Themas: Es finden sich kaum gute Beispiele auf Produkten. Fündiger wird man auf Webseiten und in Nachhaltigkeitsberichten der großen Konzerne: je industrieller, desto attraktiver scheint die Darstellung. Biomarken besetzen dieses Thema bisher fast gar nicht! Dabei ist es ein idealer Aufhänger um mit der Öffentlichkeit auf Social Media & Co. in echten Kontakt zu treten!

UNVERPACKT als Vehikel nutzen 
Hilfreich ist es auch, bei schwierigen  Themen populäre Aufhänger zu nutzen, z.B.: Unverpackt. Denn das ist hip und berührt Zielgruppen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist.



































Sprachwitz und Infografik sind wichtige Schlüssel
Gut funktioniert die Infografik bei komplizierten Zusammenhängen, weil ich als Konsument einen direkten Vergleich sehe. Gut funktioniert auch eine direkte, lässige Sprache, weil ich leichter abgeholt werde als mit „Schulbuchtexten“. Mission mit Sprachwitz und klarer Position wirkt nicht erzieherisch und kompliziert, sondern begeisternd.

Vorbildliche Nachhaltigkeitskommunikation, die Spaß macht, gesellschaftliche Trends der Zielgruppen sehr lässig aufgreift und eine echte Mission transportiert: Innocent Kinder Smoothies













… und dazu gehöriger Innocent Kinder Smoothies 4er-Karton

Sympathische Infografik  im Nachhaltigkeitsbericht von McDonald‘s
















Weniger Material braucht mehr Design und Attraktivität
Wenn ich etwas attraktives Neues gewinne, erlebe ich ein „Weniger“ nicht als Verzicht. Sobald der Konsument vermeintlich weniger Schutz in einem unattraktiveren Material bekommt, braucht er als Ersatz mehr Lifestyle, mehr Position, mehr Hipness. Nur so lassen sich Umsatzeinbußen verhindern und in ein Markenplus umwandeln. Wenn ein tolles Design im Vordergrund steht, kann es sinnvoll sein, den Materialaspekt nicht anzusprechen, um das positive Gefühl beim Konsum nicht zu stören. Materialwechsel, die der Konsument kaum bemerkt, empfehlen wir nicht am Produkt, sondern in Onlinekommunikation und PR im Dialog mit den Kunden zu thematisieren. Auf keinen Fall reicht es aus, das Material deutlich zu reduzieren und lediglich ein Symbol in eine Ecke zu setzen. Das geht allenfalls bei funktionalen Produkten wie Reinigungsmitteln. Falls ich jedoch die Verbesserung der Verpackung als Botschaft für die Marke nutzen will, muss Design UND Kommunikation attraktiv sein!
Hemme-Milch. Nicht bio! So kann Nachhaltigkeitskommunikation in Verbindung mit gutem Design eine konventionelle Marke plötzlich bio wirken lassen. Zitat von der Rückseite der Milchpackung, genauso viel Text wie die Beschreibung von Herkunft und Qualität: „(...) eine ganz besondere Milch. Ganz besonders verpackt. Weil unsere frische Milch ein reines Naturprodukt ist, soll auch unser Milchbeutel ihr in nichts nachstehen. Sein 40%iger Kreideanteil minimierte den Kunststoffbedarf und sorgt für Standfestigkeit (...) Die Herstellung unseres Milchbeutels verbraucht weniger Wasser und Energie als andere Einwegverpackungen. Und das Abfallvolumen reduziert sich im Vergleich zu Milchkartons um beeindruckende 66%.“ Ein gutes Beispiel für Sprache, die Botschaft zum Nutzen der Marke transportiert, ohne zu belehren.


Vorreiter Frosch. Offensiver Umgang mit Verpackungsreduktion auf dem Produkt. Nur wenigen ist es gelungen, den Nachfüllbeutel zu etablieren. Wo Umweltfreundlichkeit so zum Markenimage gehört, kann man auch Zahlen plakativ nutzen. 
FAZIT
  • WENIGER Verpackung braucht MEHR Design, Witz, Style
  • INFOGRAFIK macht dröge Inhalte schneller verständlich
  • LÄSSIGKEIT in Sprache und Design
  • Verpackungstoptimierung weniger auf dem Produkt, sondern in der MARKENKOMMUNIKATION thematisieren
  • Konkrete Nachhaltigkeitsaktivitäten sind ideale DIALOGTHEMEN für Web und Social Media. Auch wenn sie weniger gelesen werden, strahlen sie auf die Wahrnehmung der Marke aus