Dienstag, 19. Juli 2016

Ich, Du, you, geil: Die Veränderung der #Sprache in der #Kommunikation

 Das Wort „UNKAPUTTBAR“ bei Einführung der PET-Mehrwegflaschen von Coca Cola und der Claim von IKEA: „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ markierten für mich eine Ära des neuen Umgangs mit Sprache: Direkt, frech, witzig, offensiver. Plötzlich wurde geduzt, neue Wörter kreiert, Englisch-Deutsch gemischt. Es gibt keine Tabus mehr, wird wild getrennt und seit Neuestem häufen sich #Hashtags bei den Markeneintragungen. Sprache ist – wie Bildwelten auch – Spiegel und Ausdrucksform des gesellschaftlichen Wandels.

Das Plakat des „Theaterdiscounters“ eint gleich mehrere Auffälligkeiten: Das Wort GEIL, die neue Mischung der Begriffe Theater + Discounter, fast dadaistische Satzkreationen: „In meiner Bluse platzt die Primel.“ Bei Kulturplakaten lassen sich häufig schon früh Trends und Tendenzen erkennen. Hier z.B. der Slash /// als visuelles Trennungselement, schon 2012!
Wenn ich Sprache und Trendwörter meiner Zielgruppe nutze, kann ich sie direkter erreichen! Wie für alle Kommunikationsmittel gilt auch für die Sprache: Je besser ich meine potenziellen Kunden kenne, desto genauer kann ich sie ansprechen. Was sind ihre Lebenswelten? Eher innovationsfreudig oder traditionell verhaftet, eher rational oder emotional? Welche Werte sind ihnen wichtig, welches sind die bevorzugten Medien? Wie kommunizieren sie und wie wollen sie wirken? Für Bioprodukte gibt es drei Grundtendenzen bei den Zielgruppen: eher traditionell geprägte Bürgerliche und Etablierte, die ganz sicher nicht geduzt werden möchen – dafür aber Wert legen auf Herkunft, Erfahrung und Sicherheit. Die Alt-Ökos und die liberal-etablierte Bildungselite, die an Hintergründen interessiert ist. Für sie sind Transparenz, Seriosität, Zahlen wichtig – durchaus aber anspruchsvoll und auch mit intellektuellem Witz in Worte gepackt. Die Performer schätzen Leistung, Zahlen, Englisch, Coolness. Die urbanen, innovationshungrigen Kreativen alles was unkonventionell, echt und kreativ ist. Selbstbestimmung und Freiheit stehen bei ihnen im Vordergrund.
Lautmalerei und Worterfindungen „zum Anbeeten“. Sprachwitz und Umgangssprache bei den Smoothies von true fruits. „100 % Frucht – no tricks.“ in bestem Denglisch.
Selbst bei der WELT wird die Sprache legerer und aktiver. Hier ein frühes Beispiel aus einer crossmedialen Markenkampagne „DIE WELT gehört denen, die neu denken.“

Sprache ist Moden unterworfen wie Bildsprachen und Farbwelten 
Und dann gibt es Modewörter, die innerhalb kurzer Zeit plötzlich überall auftauchen: agil, geil, Helden, Rebellen & Macher. Und zur Zeit offensiv: #Hashtag! Er löst als aktivierendes Element starre Slogans ab und wird zum viralen Selbstläufer im Netz. Insgesamt gilt: Sprache wird mutiger, es gibt kaum mehr Tabus, direkte Anprache und offensive Appelle machen Leser zu Beteiligten. Und lassen Marken dadurch aktiv und zeitgemäß wirken. 

Wer es wagt zu provozieren, fällt auf! Sprache ist offensiver, intelligenter, witziger und weniger erklärend.
Aktuelle Kampagne von Hornbach. Sehenswert: der dazu gehörige Youtube-Film unter dem Hashtag #Heldenkranz


Immer mehr rein englischsprachige Produkte und Websites – auch auf dem deutschen Markt. Die wahre kulturelle „Eroberung“ findet nicht mit Kopftüchern, sondern mit Internet, Digitalisierung und Alltagssprache statt.
Brot-Tüte mit Aufforderungscharakter – gesehen bei „OhJulia“ in München. Doch Vorsicht! Hier finden sich Zweideutigkeiten in urbaner Sprache als Geheimcode. Schlagen Sie die Bedeutung von „eat you up“ mal nach: de.urbandictionary.com. Absicht?

FAZIT
• Sprachstil und Wortwahl sind wichtige Identifikationsmerkmale mit der Zielgruppe.
• Ob per Du oder Sie – die Ansprache muss zur Zielgruppe passen!
• Nur sozial-ökologische und liberal-etablierte Milieus wollen Hintergrundinformationen!
• Ansonsten: Kurz, knackig, offensiv.
• Sprache muss zum Markencharakter passen, um authentisch zu sein.
• Für digital-aktive Zielgruppen sind #Hashtags hochinteressante Multiplikations- Werkzeuge – auch im Printbereich.
• Schlagwörter werden teilweise eher nach Optik und Schlagwirkung getrennt, um plakativ zu irritieren.
• Die detaillierte Kenntnis der relevanten Sinusmilieus und ihrer Kommunikationsmittel ist wichtigste Grundlage!

Auch hier kommt Fremdes zum Food: Die Produkte der Hamburger Marke „The Deli Garage“. Je teurer ein Produkt, je innovationshungriger die Zielgruppe, desto mehr Mut ist erlaubt. Je mehr Mainstream das Produkt, desto angepasster muss auch die Sprache sein.
„Ich wars nicht-Nuggets“, Produktbezeichnung der Marke vegetar!a, die viel mehr kann als nur den Inhalt beschreiben.


Foodie Garden: Saatgut Set für zu Hause
Juicefresh: Smoothies aus Berlin
Grüne & Alternative Student_innen (GRAS): Wiener Studenten für eine ökologisch-nachhaltige Hochschule und Gesellschaft
Kochbuch "Shades of Green " von Tanja Dusy

Werbung der Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft auf einer Litfaßsäule
Die Kommunikations-Kolumne in der Biowelt: 
Konsequent nachhaltiges Handeln unterscheidet viele Biopioniere und Herstellermarken von Me-Too- und Handelsmarken, die lediglich Biorohstoffe nutzen. „Gelebte Nachhaltigkeit“ ist profilbildend und Alleinstellungsmerkmal vieler Pioniermarken. Viel zu selten werden diese Themen in der Kommunikation zeitgemäß genutzt, um Handel und Konsumenten an die Marke zu binden. Und damit wird auch die Chance vertan, dem Bio-Fachhandel eine Extraportion Glaubwürdigkeit in die Regale zu stellen.
Wie attraktiv Kommunikation sein kann, zeigen wir regelmäßig in der Biowelt. Martina Merz, Marken- und Packagingexpertin von mërz punkt, widmet sich in jeder Ausgabe einem Themenschwerpunkt und entdeckt für uns spannende Beispiele aus der Nicht- Biowelt. Inspiration, fachliche Erläuterung der wahrnehmungspsychologischen Mechanismen dahinter, Bilder, Design, Sprache: Themen, Handwerkszeug, Hintergründe.


Pssssssssst!
Hier gibt's das Video zum Blog:
http://www.merzpunkt.de/news/biowelt-kolumne-sprache-der-kommunikation

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